Hans Kammerer
© Foto Rotraud Harling DGPh, Stuttgart

Hans und Maiti Kammerer
© Foto Rotraud Harling DGPh, Stuttgart

Stiftung

Hans Kammerer war Architekt, Stadtplaner und Professor. Er hat ein umfangreiches architektonisches und theoretisches Werk hinterlassen. Neben seiner engagierten Lehrtätigkeit u. a. an der Universität Stuttgart hat er zusammen mit Walter Belz 1972 das Architekturbüro Kammerer + Belz gegründet. Zu den zahlreichen Projekten des Büros zählen das GENO Haus und die Calwer Passagen in Stuttgart.

1999 gründete er zur Erinnerung an seine Frau Maiti und zur Förderung von Wissenschaft, Forschung und Kultur auf dem Gebiet der Architektur, insbesondere im Wohnungsbau die gemeinnützige Hans und Maiti Kammerer Stiftung. Die Stiftung erlangte durch Verfügung des Stuttgarter Regierungspräsidenten vom 31. Mai 1999 ihre Rechtsfähigkeit und hat ihren Sitz in Stuttgart.

Neben der Organisation der stiftungseigenen Vortragsreihe „Hans Kammerer Vorlesungen“ liegt ein weiterer Förderschwerpunkt in der Ausbildungsförderung für den herausragenden studentischen Nachwuchs und für vielversprechende, besonders begabte Berufsanfänger auf dem Gebiet der Architektur.

Werkarchiv

Das Büro Kammerer + Belz und Partner hat in den vergangenen 66 Jahren eine Vielzahl an Projekten geplant und realisiert. An den bei diesen Projekten entstandenen Plänen, Fotografien, Zeichnungen und Publikationen wird erkennbar, wie viel Arbeit und Organisation hinter dem Büro steckt. Die Werkübersicht soll verdeutlichen, wie wichtig das Schaffen Kammerers und Belz war und wie ihre architektonischen Werke bis heute zahlreiche Städte innerhalb von Deutschland mitgeprägt haben. Durch die Zusammenstellung möchten wir die Erinnerung an Kammerers Arbeit digital festhalten, um somit jedem den Zugang zu seinem Werk ermöglichen. Zahlreiche Bauten des gemeinsam mit Walter Belz geführten Büros prägen bis heute das Stuttgarter Stadtbild, wurden mit renommierten Preisen ausgezeichnet und schrieben wie im Fall der beiden Innenstadtprojekten “Commerzbankerweiterung am Fruchtkasten” und der “Calwer Passage” in den 1970er Jahren Stuttgarter Architekturgeschichte. Im Jahr 2022 wäre Hans Kammerer 100 Jahre alt geworden. Die Dokumentation der Werke ist im Zuge der Ausstellung “100 Jahre Hans Kammerer - Architektur für Stuttgart” entstanden; als wichtige Bestandsaufnahme einer langen Arbeitsphase des Büros, um die sich Hans Kammerer, Walter Belz und viele andere Mitarbeiter*innen in den letzten Jahrzehnten bemüht haben.

Erweiterung Commerzbank, Stuttgart
Kammerer + Belz, 1972
© Foto Landesamt für Denkmalpflege im RP
Stuttgart, Iris Geiger-Messner

Calwer Passage, Stuttgart
Hans Kammerer und Walter Belz, 1978
© Foto Landesmedienzentrum
Baden-Württemberg, Sven Grenzemann

Personalwohnsiedlung, Bad Wildbad
Kammerer + Belz, 1978
© Zeichnung Kammerer + Belz

Publikation

Neben seiner engagierten Lehrtätigkeit u. a. an der Universität Stuttgart und der Leitung des eigenen Architekturbüros Kammerer + Belz zusammen mit Walter Belz hat sich Hans Kammerer auch theoretisch mit Architektur auseinandergesetzt. Insbesonder mit dem Thema Wohnungsbau, dem er seine umfangreichste Publikation „Wohnen und Wohlstand“ widmete. Darin beleuchtet er die kulturellen, politischen, wirtschaftlichen und historischen Dimentionen des Wohnungsbaus in Deutschland.

Online-Version

Wohnen und Wohlstand
Hans Kammerer, avedition, 1998

Vorträge

2022

100 Jahre Hans Kammerer (1922–2022)

07.02.2022, 19:00 Uhr
Podiumsdiskussion mit Markus Allmann, Klaus Jan Philipp, Amber Sayah, Stephan Trüby, u.a.. Die digitale Veranstaltung ist im Archiv von k1tv.watch hier zu sehen. Parallel ist die digitale Ausstellung auf kammerer-ausstellung.de zu sehen.

2021

Vortrag Matthias Sauerbruch

18.06.2021, 17 Uhr
Im Rahmen der „Feier der Absolvent*innen“ der Fakultät 1 Architektur & Stadtplanung der Universität Stuttgart hält Matthias Sauerbruch den Gastvortrag der Hans und Maiti Kammerer Stiftung zum 99. Geburtstag von Hans Kammerer. Im Anschluss an den Vortrag wird der Kammerer Preis an die besten Abschlussarbeiten der letzen beiden Jahre verliehen.
Die digitale Veranstaltung ist im Archiv auf k1tv.watch hier zu sehen.

Veranstaltungsprogramm

2007

Johannes Uhl

Förderer du warst super

2006

Shigeru Ban

Works and Humanitarian Activities

2004

Wolfgang Voigt

Im Kern modern? Eine Verteidigung Paul Schmitthenners

Vortragsabschrift

2004

Arno Lederer

Vertreibung des Verborgenen

2003

Peter Fierz

Architektur ist sichtbar

Vortragsabschrift

2002

Manfred Sack

Bauen, wer man ist oder: Über die Kunst, mit Architektur und Stadtbau Identitätsempfinden zu wecken

2001

Kurt Ackermann

Zur Erinnerung an Hans Kammerer (1922–2000)

2000

Gabriel Epstein

Wohn-Ort

Personen

Vorstand

Nikolaus Turner

Beirat

Prof. Klaus Philipp

Prof. Dr. Thomas Jocher

Prof. Piero Bruno

Amber Sayah

Beiräte seit 1999

Prof. Dr. E. h. Max Bächer

Prof. Kurt Ackermann

Kontakt

Stiftungssitz

c/o Nikolaus Turner
Tiepolostraße 2
80638 München

Spenden

Commerzbank Fellbach
IBAN DE39 6004 0071 0760 5157 00

Vita

Hans Kammerer war ab den 1950er Jahren als freier Architekt tätig und prägte durch seine Bauten sowie seine Lehre als Dozent und Professor an der Universität Stuttgart die Stuttgarter Architekturszene. Zahlreiche Projekte des ab 1964 gemeinsam mit Walter Belz geführten Büros Kammerer + Belz und Partner prägen bis heute das Stuttgarter Stadtbild und wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und schrieben wie im Fall der Projekte “Geschäftshaus am Fruchtkasten” und der “Calwer Passage” in den 1970er Jahren Architekturgeschichte. Die Hans und Maiti Kammerer Stiftung unterstützt diese Ausstellung und wurde von Kammerer selbst zur Erinnerung an seine Frau Maiti und zur Förderung von Wissenschaft, Forschung und Kultur auf dem Gebiet der Architektur, insbesondere im Wohnungsbau, errichtet.

Kammerer + Belz

Der Stadt Stuttgart hat Kammerer aber zweifellos seinen Stempel aufgedrückt, als Hochschullehrer und Architekt der Wiederaufbau- und Nachkriegszeit.

Amber Sayah in Ihrem Kommentar für die 100 Jahre Hans Kammerer Ausstellung, 2021

Hans Kammerer

1922

geboren in Frankfurt am Main

1943–1946

amerikanische Kriegsgefangenschaft

1946–1950

Architekturstudium an der TH Stuttgart

1951/1952

Assistent an der TH Stuttgart bei Rolf Gutbier

1952/1953

Gastdozent an der Kingston School of Art in England

ab 1952

Freier Architekt in Stuttgart

1953–1965

Lehrauftrag an der TH Stuttgart

1955–1964

Architekturbüro mit Rolf Gutbier in Stuttgart

1964–1972

Architekturbüro Kammerer + Belz

1965–1975

Ordentlicher Professor am Lehrstuhl Baukonstruktionslehre und Hochbaukunde an der TH Stuttgart

1972–1982

Architekturbüro Kammerer + Belz und Partner

1975–1987

Leiter des Instituts für Innenraumgestaltung und Entwerfen, Fachbereich Bauplanung, an der Universität Stuttgart

1978

Gastprofessor an der University of California, Berkeley/USA

ab 1982

Architekturbüro Kammerer + Belz, Kucher und Partner

1982/88/90

Gastprofessor an der Arizona State University in Tempe/USA

1992

Rückzug aus dem Berufsleben

2000

gestorben in Stuttgart

Kammerer + Belz

1964

kam es zur Gründung des Büros ‚Kammerer + Belz‘

1972

Kammerer + Belz und Partner‘

1982

Kammerer + Belz, Kucher und Partner‘

2000

verstarb Prof. Kammerer

2002

Belz, Kucher und Partner, GbR‘

11.05.2002

Entsprechend der bei Großprojekten eingeführten, auf ‚Kammerer + Belz, Kucher und Partner‘ zurückgehenden Kurzbezeichnung ‚KBK‘ firmiert das Büro mit der Gesellschaftsform einer GmbH unter ‚KBK Architekten Belz Kucher Lutz‘.

2003–2007

plötzlicher Tod des Gesellschafters Klaus Kucher. Damit verbleiben Professor Walter Belz und Dipl.-Ing. Wolfgang Lutz als geschäftsführende Gesellschafter. Der langjährige Partner Dipl.-Ing. Alfons Hahn wird Geschäftsführer. Ingrid Pabst wird für die kaufmännische Leitung Prokura erteilt.

2005

war Götz Guggenberger als geschäftsführender Gesellschafter tätig.

ab 2007

50 jähriges Bestehen des Büros: 50 Jahre Architektur

An der Universität habe ich Kammerer nicht mehr erlebt, er war 1987 emeritiert. Seine ehemaligen Assistenten aber konnten noch viele Anekdoten über ihn erzählen, er war wohl ein Kauz, der schwäbelnd sympathisch seine immer gut begründeten, nicht immer dem Mainstream folgenden Positionen vertrat.

Prof. Klaus Jan Philipp in seinem Kommentar für die 100 Jahre Hans Kammerer Ausstellung

Über Hans Kammerer

Zu seiner Zeit war Hans Kammerer schon so etwas wie ein Star, auch wenn diese Bezeichnung überhaupt nicht zu ihm passte, sondern eher auf die Spezies Architekt zutrifft, die seit den Achtzigern Glitzertürme in den Sand autoritärer Wüstenstaaten setzt. Der Stadt Stuttgart hat Kammerer aber zweifellos seinen Stempel aufgedrückt, als Hochschullehrer und Architekt der Wiederaufbau- und Nachkriegszeit, mit so prominenten Bauten wie der Daimler-Hauptverwaltung in Untertürkheim, dem Kleinen Schlossplatz und dem Geno-Haus. Die Commerzbank-Erweiterung und die Calwer Passage, damals als Wiedererweckung eines Bautyps aus dem 19. Jahrhundert tatsächlich die erste ihrer bald massenhaft verbreiteten Art, erregten dann auch überregionale Aufmerksamkeit. Und auch wenn nicht alles Gold war, was das Büro geplant hat, ist es doch schade, dass die Architektur von Kammerer und Belz allmählich aus dem Stadtbild verschwindet – als würde eine Ära ausradiert. Hoffentlich ist wenigstens den hervorragenden Wohnungs- und Siedlungsbauten des Büros eine längere Lebensdauer beschert.

Persönlich erinnere ich mich an Hans Kammerer als einen Mann, der die perfekte Kreuzung aus Schwabe und Kosmopolit verkörperte. Der Zungenschlag unüberhörbar schwäbisch, der Habitus unübersehbar weltläufig. Er war ein cooler Typ lange bevor die Art in Mode kam, sein stets leicht spöttischer Zug um die Mundwinkel wahrscheinlich seine auffälligste und zugleich charmanteste Eigenschaft. Nach dem wie mit dem Fahrtenmesser gescheitelten, soldatischen Heldenideal der Nazis war er der lebende Beweis, dass der deutsche Mann auch anders konnte, zum Glück! Rätselhaft bleibt dagegen, warum Hans Kammerer und sein langjähriger Büropartner und Wohnungsnachbar Walter Belz sich ein Leben lang siezten. Da waren sie gar nicht locker. Vielleicht waren sie als Temperamente auch einfach zu gegensätzlich; andererseits agierten sie ja als höchst erfolgreiches Team ...

Unvergessen bleibt mir eine Rede von Günter Behnisch zum 70. Geburtstag von Hans Kammerer. Behnisch, der sonst immer ein bisschen streng wirkte, riss dabei mit ungeahntem Sinn für Pointen das Publikum zu Lachstürmen hin über Begebenheiten aus dem Leben des zerstreuten Professors Kammerer. Zum Beispiel der Geschichte, wie er sich einmal auf den Rücksitz seines Autos warf, in der Annahme, es wäre ein Taxi, und erst nach einiger Zeit, in der er in irgendwelche Akten vertieft war, bemerkte, dass er immer noch auf dem Parkplatz vor seinem Büro stand. Oder wie er zuhause mit Karacho auf das Auto seiner Frau auffuhr, weil es an jenem Tag auf der „falschen“ Seite in der Doppelgarage geparkt war.

Am Herzen lag ihm, dessen Ehe kinderlos blieb, der studentische Nachwuchs. Darum brachte er einen großen Teil seines Vermögens in eine Stiftung ein, die Hans und Maiti Kammerer Stiftung, die mit Vorlesungsreihen und Förderbeiträgen zu Tagungen, Wettbewerben und Preisen die Ausbildung an der Architekturfakultät der Universität Stuttgart unterstützt.
Amber Sayah in Ihrem Kommentar für die 100 Jahre Hans Kammerer Ausstellung, 2021

Hans Kammerer gehörte einer anderen Generation an. Er war ein Freund meines Vaters, wahrscheinlich sein engster, und so habe ich ihn immer mal wieder eher im Privaten getroffen. Als ich meine berufliche Laufbahn begann, setzte er sich schon bald zur Ruhe, so hatten wir beruflich keine Berührungspunkte. Unsere Begegnungen jedoch waren immer interessant, amüsant, lustig und auch von ernsthaften Gesprächen geprägt.

Besonders in Erinnerung geblieben ist mir eine gemeinsame Reise mit den Kammerers, meinen Eltern und der Familie Lauber durch Obervolta (Burkina Faso) und Mali. Das muss 1982 gewesen sein. Eine großartige Reise durch die Sahelzone! Wir waren mit drei Landrovern und Zelten, Hängematten und Moskitonetzen unterwegs. Hans Kammerer war immer ein interessanter Gesprächspartner, auch wenn ihn damals offensichtlich die Sorge des Ruhestandes umtrieb, insbesondere die Sorge, man müsse vielleicht dann „kleinere Brötchen backen“. Wir hatten alle aus Platzgründen sehr wenig Gepäck dabei. Trotzdem schaffte er es, 20 T-Shirts mit dem Konterfei seines Büroteams aufgedruckt – ein Geschenk der Mitarbeiter:innen zum 60. Geburtstag – dabei zu haben und diese den Bewohner:innen eines abgelegenen Dorfes zu überlassen. Das dort entstandene Gruppenbild, ein Polaroid, wurde dann als Postkarte an das Büro gesendet. Das war sein Humor.

Zu Silvester zog er aus seinem Koffer EINE Feuerwerksrakete und EINE warme Flasche Champagner – mit dem Hinweis, es gäbe Grenzen des Verzichtes. Und das mag das einzige Problem gewesen sein, wenn es zur Umsetzung seiner Architektur kam.

Hans Kammerer war ein sehr guter Architekt, insbesondere seine Wohnhäuser haben mich beeindruckt. Aber vielleicht war er dann doch zu schnell bereit, Kompromisse zu schließen wenn es zu mühsam wurde. Dies könnte das doch etwas gemischte Portfolio erklären. Als Studenten haben wir uns an der Arbeit, zumindest Teilen der Arbeit seines Büros gerieben. Ihn persönlich jedoch habe ich immer geschätzt, ihn gemocht. Und er war ein großzügiger, humoriger Mensch im persönlichen Umgang.
Stefan Behnisch in seinem Kommentar für die 100 Jahre Hans Kammerer Ausstellung, 2021

Kammerer sah seine Lehre eingebettet in das Gesamtkonzept „Stuttgarter Schule“, für das er sich verantwortlich fühlte und das nur institutsübergreifend fortentwickelt werden konnte. „Er war derjenige Architekt und Lehrer, der die Essenz der über drei Generationen entwickelten Stuttgarter Schule am besten praktiziert und gelehrt hat.“(08) Er hat sie in Stil, Charakter und Qualität wesentlich mitgeprägt.

In einer Ansprache zur Verleihung des Fritz-Schumacher-Preis 1976 formuliert er die Haltung des Büros: „Wie fast alle unsere Mitarbeiter kommen wir aus der sogenannten „Stuttgarter Schule“, die ihren Studenten eine Mischung von soliden handwerklichen Grundlagen und ein breites Angebot an Entwurfsauffassungen vermittelte. Wir haben die Schule nicht mit dem untilgbaren Brandzeichen eines großen Lehrers verlassen, sondern eher mit einer vielseitigen Neugier, Aufgaben ohne Rezept anzupacken und kommen schon deshalb auf die Frage nach unserem ‚Stil’ in Verlegenheit.“ (09)

Da die „Stuttgarter Schule“ in Vergessenheit geraten sein könnte oder nur noch als Mythos existiert, hier aus Jürgen Joedickes Beitrag zur Festschrift zum 150jährigen Bestehen der Universität Stuttgart 1997 einige Hinweise : Nach dem 1. Weltkrieg „ ... führte Stuttgart ... Als erste Architekturabteilung einer technischen Hochschule die praktische Tätigkeit für die angehenden Architekten ein; Handwerkspraxis und Büropraxis wurde in den Studiengang integriert. Praktische Tätigkeit auf dem Bauplatz vor Beginn des Studiums sowie eine Zwischenpraxis im Büro und als Bauführer waren obligatorisch. ... eine entscheidente Änderung, daß der Student in den ersten Semestern nicht mit architekturfremden Fächern vollgestopft wurde, sondern mit Studienbeginn zu konstruieren und zu entwerfen begann ... im 3. und 4. Semester ... bearbeitete der Student ... selbstständig den konstruktiven Entwurf auf Grund eines vorgegebenen Programms. ... Nach dem Vordiplom waren fünf Entwürfe vorgeschrieben, dazu eine Anzahl von Wahlfächern. Entwerfen konnte nach freier Wahl bei allen Entwurfslehrern belegt werden. Bedingung aller Entwürfe war die Ausarbeitung bis zum Werkplan, bis zum Detail. Die Benotung der Entwürfe und der Diplomarbeit wurde von allen Entwurfslehrern gemeinsam vorgenommen. Die Entwurfskonferenz am Ende jeden Semesters war das prägende Element dieser Schule. In freier offener Aussprache, aber auch in gegenseitiger, oft scharfer Kritik der Hochschullehrer untereinander wurden nicht nur die Noten ausgehandelt, sondern auch die Konturen einer gemeinsamen Architekturauffassung erarbeitet. An dieser Entwurfskonferenz nahmen die Assistenten mit gleichem Recht teil.“
Ekkehardt Betram in seinem Kommentar für die 100 Jahre Hans Kammerer Ausstellung

Mein erster Kontakt mit der Architektur Hans Kammerers erfolgte lange Zeit, bevor ich nach Stuttgart kam. Mein akademischer Lehrer Heinrich Klotz in Marburg, der damals – 1979 – begann das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt am Main aufzubauen, verwies uns junge Kunstgeschichtsstudierende nämlich auf die Commerzbankerweiterung an der Stiftskirche und die Calwer Passage als bedeutende Beispiele für eine neue Architektur in Deutschland, die man später Postmodere nannte. So richtig begeistert hatten mich diese Projekte damals nicht, aber vielleicht hatte Klotz dann doch etwas in meinen Kopf gesetzt, was ich nicht vergessen sollte. Als ich zehn Jahre später als Assistent an das Institut für Architekturgeschichte der Universität Stuttgart kam, gehörte die Besichtigung beider Bauten jedenfalls zu meinem Programm. Aber es brauchte nochmals zehn Jahre, bis ich endlich begriff, worin denn die Qualität dieser Bauten besteht und was sie so besonders macht. Ich hatte mich viel mit der Architektur Rolf Gutbrods beschäftigt, einiges über Brutalismus gelernt und auch andere Werke Kammerers studiert. Jetzt erst verstand ich die Bauten in ihrem historischen Kontext und ihre Qualitäten offenbarten sich mir mehr und mehr. Das war ja keine Postmoderne, wie sie James Stirling mit vielen Zitaten an der Staatsgalerie inszenierte, sondern eine sehr eigenständige Architektur. Selbstbewusst spielen Kammerer und seine Partner mit dem historischen Umfeld, setzen Zitate aus der Vergangenheit ein, jedoch sind die Konzepte nicht auf Fiktion ausgelegt, sondern sehr funktional, brutalistisch in der Form- und Materialwahl, unkonformistisch und neu. Auch der Städtebau, den das Büro mit diesen Bauten in dichten urbanen Situationen entwickelte, erschloss sich mir nun. Die Wohnungen auf der Calwer Passage faszinierten mich ebenso wie der verdichtete Wohnbau für den das Büro bis in die 1970er Jahre stand. Viele Themen zu Bodennutzung und zur Verdichtung, die wir heute wieder diskutieren, hat Kammerer vorweggenommen und vorbildlich gelöst. Dank der Unterschutzstellung vieler Bauten und Siedlungen können sich diese hohen Qualitäten bis heute beweisen.

An der Universität habe ich Kammerer nicht mehr erlebt, er war 1987 emeritiert. Seine ehemaligen Assistenten aber konnten noch viele Anekdoten über ihn erzählen, er war wohl ein Kauz, der schwäbelnd sympathisch seine immer gut begründeten, nicht immer dem Mainstream folgenden Positionen vertrat. Wie aus seinen zahlreichen Redebeiträgen und einer fiktiven Geschichte der Fakultät aus seiner kritischen Sicht herauszulesen ist, hat er viele Entwicklungen in den 1970er Jahren nicht gutgeheißen. Soziologie war ihm ein Graus, Informatik wollte er nicht verstehen, Denkmalpflege war nicht sein Ding. Er wollte entwerfen, bauen, gestalten und mit seinen Bauten beweisen, dass es gute Architektur und Städtebau braucht, damit Städte und Dörfer lebenswert bleiben.

Es hat mich sehr gefreut, dass die Teilnehmer:innen meines Projekts zu Hans Kammerer im Sommersemester 2021 sich von meiner Begeisterung anstecken ließen und diese digitale Ausstellung realisiert haben. Sie organsierten sich selbst und arbeiteten selbständig. Nur staunend konnte ich verfolgen, wie sie die Webseite gestalteten und konzipierten. Die Ausstellung ist eine runde Sache geworden und die Webseite wird hoffentlich noch lange genutzt werden. Allen sei hiermit sehr gedankt!
Prof. Klaus Jan Philipp in seinem Kommentar für die 100 Jahre Hans Kammerer Ausstellung